
Für die
Evakuierung der Kunstschätze gab es umfangreiche Planungen, wonach im
Falle einer Bedrohung von
Königsberg
Kunst- und Kulturgüter auf abgelegenen Gütern und Schlössern
der ostpreußischen Junker untergebracht werden sollten.
Als Orte
der Auslagerung werden vor
allem die Domäne Richau, etwa
40 km östlich von Königsberg, und das Schloß Wildenhoff,
Kreis Preußisch Eylau, etwa 40 km südlich von
Königsberg, genannt. Zeugen geben für Wildenhoff an, hier seien 1944
Kisten ausgeladen und in die Keller und Gewölbe gebracht worden.
Ehemalige polnische Kriegsgefangene sprachen von einem
Eisenbahnwaggon, dessen Ladung im 5 km entfernten Landsberg ausgeladen, nach Wildenhoff gebracht und dort eingemauert
worden sei.
Nach
Wildenhoff
waren aus den Kiewer Kunstsammlungen unter anderem 11 Kisten mit
Gemälden westeuropäischer Meister, 6 Kisten russischer Meister, 15
Kisten Ikonen und 16 Kisten Ikonen und Gemäde gekommen. In jeder
Kiste befanden sich zwischen 10 und 134 Stücke.
In
Richau war die Betreuung der eingelagerten Kunstgüter der
ukrainischen Kunstwissenschaftlerin Polina Arkadijewna Kulshenko
übertragen worden, w�hrend in Wildenhoff nur die Familie der
Schwerins anwesend war. Deshalb wurde bereits im Juli 1944 im
Ostministerium vorgeschlagen, beide Depots nach Mittel- oder
Süddeutschland zu verlagern.
Doch
Erich Koch erhielt sehr bald Wind von den Absichten des
Ostministeriums und ließ Frau Kulshenko mit der Ikonensammlung von
Richau nach Wildenhoff verlegen. Gräfin Schwerin konnte sich noch
dreißig Jahre später sehr genau erinnern, daß Ende Oktober/Anfang
November 1944 die Ikonensammlung nach Wildenhoff kam und als deren
Betreuerin "eine russische Dame, eine sehr gebildete
Kunsthistorikerin".
Dr.
Alfred Rohde hat Wildenhoff vor den Einlagerungen besichtigt, wie sich
aus einem Brief ergibt: "Sehr geehrter Herr Graf! Ich habe die
Absicht, am kommenden Sonntag für einen Tag nach Wildenhoff zu kommen,
um die Räume, die für die Aufbewahrung unserer Gemälde vorgesehen
sind, zu besichtigen. Ob ich das an einem Tage schaffe? Darf ich mit
dem Zug 09. 33 Uhr kommen? Königsberg, den 17. Oktober 1944. Dr.
Alfred Rohde.
Der von
Dr. Rohde dem Grafen Schwerin angekündigte Transport mit Gemälden traf
Ende Oktober in Wildenhoff ein. Frau Kulshenko erinnerte sich später,
daß am
14. November 1944 eine weitere Fahrzeugkolonne am Schloß vorfuhr, die
von SS-Leuten mit Maschinenpistolen begleitet war. Den Transport
leitete Dr. Alfred Rohde. Auch diese Ladung wurde im Schloß
untergebracht, doch will Frau Kulshenko nur allgemein erfahren
haben, es hätte sich um Kunstschätze aus der Sowjetunion gehandelt.
Daß Dr. Rohde zwischen Mitte Oktober und Mitte November 1944 in der
Sowjetunion geraubte Kunstschätze nach einem Ort südlich von
Königsberg gebracht hat, muß als sehr merkwürdig eingeschätzt
werden. Genau in diesem Zeitraum hatte nämlich die 3. Belorussische
Front die Stellungen der Wehrmacht zwischen Gumbinnen (Gussew) und
Goldap, also auf ostpreußischem Gebiet, durchbrochen und stand damit
nur noch rund 100km von Königsberg und Wildenhoff entfernt.
Ganz
gewiß ist aus der Richtung der Verlagerungen der Kunstgüter zu
schließen, daß es sich hierbei nur um eine Sicherung vor Luftgefahren
gehandelt hat und nicht um Rückführungen, wie wir das bei den vom Einsatzstab Rosenberg verschleppten Kunstgütern beobachten konnten, und
wie es vom Ostministerium auch für die in Wildenhoff und Richau
eingelagerten Güter beabsichtigt gewesen ist. Rohde verlagerte in
Richtung Front, und verschiedentlich ist daraus nicht ganz
unbegründet gefolgert worden, er habe die geraubten Kunstschätze an
sicherem Ort für ihre rechtmäßigen Eigentümer deponiert.
Als die
Familie Schwerin im Januar 1945 das Schloß verlassen
hatte, brachte Frau Kulshenko mit Hilfe von polnischen Zwangsarbeitern
einen Teil der Kisten und Gem�lde in die Keller des Schlosses. Ende
Januar brannten Schloß und
Orangerie ab. Eine
SS-Einheit soll, nachdem sie einen Teil der Kunstschätze in der
näheren Umgebung des Schlosses vergraben und in Seen versenkt hat, den
Brand gelegt haben.
Um zu
klären, ob sich in den Tr�mmern von Schloß und Orangerie noch erhalten
gebliebene Kunstwerke befanden und ob unter den vernichteten Werten
auch das
Bernsteinzimmer gewesen ist, wurde ab August 1960 die Freilegung der
Ruinen durch die zuständigen Einrichtungen der Volksrepublik Polen
vorgenommen. Organe der Denkmalpflege und Museen, Experten der
Archäologie und der Kriminalistik beteiligten sich an den
Ausgrabungen.
Hierbei
wurden reiche Funde gemacht. Darunter befanden sich eine in Preußen
gefertigte gravierte kupferne Platte, datiert 1776, neun Medaillen und
Plaketten aus dem 15. und 16. Jahrhundert von italienischen Meistern,
aber alles infolge Feuer und langer Feuchtigkeit stark beschädigt und
von Grünspan überzogen. Auch ein Paket verkohlter Zeichnungen und
Radierungen, darunter solche von Lovis Corinth, tauchte auf, ebenso
einige alte Porzellanstücke chinesischer Herkunft, eine japanische
Elfenbeinschnitzerei, sieben Bildhauerarbeiten, die zum größten Teil
zerstört waren, Keramiken und Reste von Gebrauchsporzellan. Und
schließlich fanden sich auch Metallteile, wie sie an Ikonen verwendet
wurden. Aber ob es sich um die Kiewer Ikonen gehandelt hat, konnte
damit nicht bewiesen werden. Dafür waren sie eigentlich nicht
zahlreich genug, denn immerhin hatte es sich um etwa 800 Ikonen
gehandelt. Vom Bernsteinzimmer, aber auch von den nicht brennbaren
eisernen Schraubzwingen, mit denen die einzelnen Teile
zusammengehalten wurden, gab es bei den Ausgrabungen keine Spur...