
Auch die Version des Abtransports des
Bernsteinzimmers auf dem Seeweg st�tzt sich auf die Aussagen
zahlreicher Zeugen.
Sie berichteten unter anderem von
einem stark gesi�cherten, geheimnisvollen Transport, der Ende Januar
in Danzig ankam. Gro�e h�lzerne Kisten, mit eisernen Bandagen
versehen, seien auf einen Schlepper verladen und durch ihn zur
�Wilhelm Gustloff gebracht worden. Der 25000tonner. ein
Passagierschiff, diente seit Kriegsbeginn der faschistischen Marine
als schwim�mende Schule der II. Unterseeboot-Lehrdivision zur
Ausbildung von Besatzungen der Unterseeboote.
Ein Zeuge der geheimnisvollen
Verladeaktion drei Tage vor dem Auslaufen des Schiffes erinnert sich
noch gut des �berraschend geringen Gewichts der gro�en Ki�sten. Ein
anderer Zeuge ist sich sicher in der Erinne�rung, vom Oberbootsmann
der �Wilhelm Gustloff , Erich Bittner, erfahren zu haben, in den
Kisten seien Gegen�st�nde aus einem russischen Zarenschlo�. Noch etwas
Besonderes hatte es mit dieser Fracht auf sich: Sie sollte auf hoher
See umgeladen werden. Doch eindeutig sind die Zeugenaussagen nicht. Es
gibt Differenzen, die den Zeitpunkt der Verladeaktion betreffen, es
gibt sogar Differenzen hinsichtlich des Schiffes. Ein anderer Zeuge
erinnert sich zum Bei�spiel, der geheimnisvolle Transport sei sp�ter
als im Januar, und zwar auf ein Schwesterschiff der Gustloff",
verladen worden, dessen Name �bermalt war. Hier handelte es sich um
die �Robert Ley", die nach dieser Fahrt im Hamburger Hafen durch einen
Luftangriff ausbrannte. Auch hier sprach man davon, da� die Ladung
auf hoher See umgeladen werden sollte.
Mit diesen beiden gro�en
Transportschiffen scheint zusammenzuh�ngen, was ein weiterer
Augenzeuge jener Tage der Zeitschrift �Wochenpost" mitteilte. Er war
Anfang 1945 als Angeh�riger der faschistischen Kriegsmarine in
Schleswig-Holstein an dem Seeklarmachen eines Segelfrachters
beteiligt, der bewaffnet und f�r f�nf Monate mit Trinkwasser und
Verpflegung versorgt, unter falscher Flagge den Atlantik �berque�ren
sollte. Dem Matrosen wurde weiter bekannt, dass das Schiff vorher bei
der Insel Bornholm von der �Wilhelm Gustloff Kisten mit
�altar�hnlichen Sachen", beste�hend aus dem �Gold der Ostsee" .
�bernehmen w�rde.
Das klang recht phantasievoll, denn es
konnte ja nur bedeuten, die Fracht sollte irgendwohin, vermutlich nach
�bersee, gebracht werden. Sollte es sich um das Bernsteinzimmer
gehandelt haben, w�re ein solcher Aufwand schon verst�ndlich.
Segelschiffe, meist mit einem starken
Hilfsmotor ausger�stet, wurden bei der faschistischen Kriegsmarine
tats�chlich zu Sonderaufgaben eingesetzt. Mit ihnen wurden zum
Beispiel Agenten und Sabotagetrupps des Wehrmacht-Geheimdienstes nach
Irland, S�dafrika, Brasilien und Argentinien transportiert. Wegen der
Lautlosigkeit ihrer Fahrt wurden sie Geisterschiffe genannt.
Mit Hilfe eines solchen Seglers
schickte der Sicherheitsdienst der SS gr��ere Sendungen seiner
Falschgeldproduktion nach S�damerika und finanzierte damit auch
Industrieobjekte, Bankgr�ndungen, Landk�ufe und die Anlage von
Siedlungen f�r das Untertauchen von ho�hen Nazifunktion�ren. Es h�tte
sehr wohl in die bekannt gewordenen Nachkriegspl�ne gepasst, das
Bernsteinzimmer nach �bersee zu verfrachten und f�r dunkle Gesch�fte
zu verwenden.
Auch in dieser Version �ber das
Schicksal des Bernsteinzimmers taucht jener Zeuge auf, der
mitschuldig ist am Raub und Verschwinden dieses Kunstwerkes, Erich
Koch.
Bei seinen Vernehmungen hatte sich
Koch an rein gar nichts erinnern k�nnen, was den Verbleib des
Bernsteinzimmers betraf. Jahre sp�ter meinte er, es sei in K�nigsberg
oder dessen n�herer Umgebung versteckt. Nochmals Jahre sp�ter gab er
die Erkl�rung ab, das Bernsteinzimmer sei von K�nigsberg nach Danzig
gebracht und auf die �Wilhelm Gustloff verladen worden. Nach dieser
Erinnerung m�sste Koch also damals vom Abtransport des
Bernsteinzimmers erfahren, ihn vielleicht selbst angeordnet haben.
Die �Wilhelm Gustloff" schien ein
recht sicheres Transportmittel zu sein, befand sich doch auf ihr nicht
nur die gesamte Ausr�stung und das Personal der II.
Unterseeboot-Lehrdivision, sondern auch das Personal der aus dem
NS-Gau Danzig-Westpreu�en zu evakuierenden Partei- und
Wehrmachtsdienststellen. Als zus�tzliche Sicherungsma�nahme wurde das
Schiff noch als Lazarettschiff getarnt, indem es auf dem Oberdeck und
an den Bordw�nden mit dem Zeichen des Roten Kreuzes versehen wurde.
Unter gro�em sichtbarem Aufwand wurden die Insassen einer
Entbindungsstation und Verwundete zum Schiff gebracht und verladen.
Diese demonstrativen Ma�nahmen
erfolgten, weil die Gestapo Kenntnis erhalten hatte vom Operieren
einer sowjetischen Kundschaftergruppe im Raum Gotenhafen (Gdynia) -
Danzig (Gdansk). Dieser Gruppe geh�rten auch K�mpfer des
Nationalkomitees Freies Deutschland an, und sie verf�gte �ber
Funkverbindung zum Frontstab der Sowjetarmee.
Unter dem Geleit von Kriegsschiffen
lief die �Wil�helm Gustloff" am 30. Januar kurz nach 21 Uhr aus. Auf
dem Schiff waren s�mtliche Bullaugen und Fenster ver�dunkelt, alle
Lichtquellen an Deck abgeschaltet. Das widersprach den Regeln der
Kriegsf�hrung f�r Laza�rettschiffe ebenso wie die Verwendung des
Rot-Kreuz-Zeichens f�r ein Hilfskriegsschiff, das die �Wilhelm
Gustloff" als Lehrschiff der II. U- Boot- Lehrdivision eindeutig war.
Noch in der Nacht des Auslau�fens wurde das Schiff von drei Torpedos
getroffen und sank nach mehreren Stunden auf den Grund der Ostsee, 20
Seemeilen vor der pommerschen K�ste, wo es heute noch als
Navigationshindernis Nr. 73 des Gdansker Seeamtes in 60 m Tiefe liegt.
Tausende haben diesen Versto� gegen die Regeln der Kriegsf�hrung mit
dem Leben bezahlen m�ssen.
Im Sommer 1973 begannen polnische
Sporttaucher des Klubs �Rekin" von der Technischen Hochschule Gdansk
das Wrack abzusuchen. Sie wurden von der polnischen Seekriegsflotte
und dem Institut f�r Schiffbau tatkr�ftig unterst�tzt. Bei der
ersten Besichtigung glaubten die Taucher, Spuren von
Unterwasserschwei�arbeiten an einigen Stellen des Wracks festgestellt
zu haben. Daran kn�pften sich in einigen Presseorganen schon bald die
wildesten Spekulationen. Experten konnten klarstellen, dass im
Laufe der Zeit in Schiffswracks aus dem Stahl, aus den
Messingarmaturen und anderen Dingen vielgestaltig bizarre Gebilde
entstehen, so auch Formen, die der Arbeit von Schwei�brennern
�hnlich sehen.
Die bis 1975 durchgef�hrten
Untersuchungen des Wracks f�hrten weder zu der Best�tigung, das Wrack
sei bereits fr�her gepl�ndert worden, noch zum geringsten Hinweis
darauf, dass sich das Bernsteinzimmer an Bord befunden habe. Auf der
Stolpebank liegen in unmittelbarer N�he der �Gustloff noch die etwas
sp�ter gesun�kenen Schiffe "Goya" und �Steuben".
Viel Verwirrung um die �Gustloff gab
es durch die Mitteilung verschiedener Augenzeugen, das Schiff sei
nicht von Gotenhafen, sondern von K�nigsberg, andere nannten Pillau,
ausgelaufen. Tats�chlich war aus Pillau die �Gustloff ausgelaufen,
doch es war nicht das ehemalige Passagierschiff und sp�tere
Hilfskriegsschiff der II. U-Boot-Lehrdivision, sondern ein Frachter,
der den gleichen Namen trug.
Aus K�nigsberg konnte au�erdem in
diesen Tagen des Untergangs der �Gustloff" kein Schiff auslaufen, da
der Seekanal, der den Hafen mit der offenen See verbindet, durch die
sowjetischen Truppen blockiert war.
So viel die Version �ber den Untergang
des Bernsteinzimmers mit der �Wilhelm Gustloff f�r sich haben mag, so
viel spricht dagegen.
Dagegen spricht vor allem, dass Koch es
gar nicht n�tig hatte, abzutransportierende G�ter erst auf
gefahrvolle Art und Weise nach Danzig oder Gotenhafen bringen zu
lassen, wo sich doch in seinem eigenen Machtbereich zwei intakte
H�fen, n�mlich K�nigsberg und Pillau, befanden. Von hier gingen
t�glich Schiffe ab, darunter auch Kriegsschiffe, und schlie�lich
lagen f�r Koch zur alleinigen pers�nlichen Verf�gung zwei starke
Hochseeschlepper bereit. F�r einen Abtransport des Bernsteinzimmers
auf dem Seeweg von K�nigsberg aus waren alle Voraussetzungen gegeben.
Inzwischen konnte auch zuverl�ssig
best�tigt werden, dass das Bernsteinzimmer nicht mit der �Gustloff"
transportiert worden ist. In einem bundesdeutschen Archiv fanden sich
die vollst�ndigen Ladepapiere der �Gustloff von ihrer letzten Fahrt.
Sie wurden sp�ter mit einem anderen Schiff bef�rdert. Aus ihnen sind
die Namen s�mtlicher Personen, die sich an Bord befunden haben, und
alle Ladeg�ter zu ersehen.
Wir wollen damit die Darstellung der
Versionen abschlie�en, die in den vergangenen drei Jahrzehnten im
Vordergrund der Suche gestanden haben, und uns einer Version zuwenden,
die eigentlich nur bleibt, wenn man die Zerst�rung des
Bernsteinzimmers ausschlie�t.
Die �berlegung, das Bernsteinzimmer
k�nnte, wie so viele andere G�ter, in letzter Minute vor der v�lligen
Abschn�rung der Landverbindungen mit Eisenbahn oder Kraftwagen noch
bis zum April �ber See mit dem Schiff abtransportiert worden sein.
hatte von Beginn der Suche an eine gewisse Rolle gespielt. Diese
M�glichkeit war, obwohl alles dagegen zu sprechen schien, nie ganz aus
dem Auge gelassen worden.
In dem Ma�e. wie alle anderen
Versionen �berpr�f t und Schritt f�r Schritt die f�r sie sprechenden
Hinweise als nicht stichhaltig oder falsch nachgewiesen wurden, wuchs
die Bedeutung der M�glichkeit eines Abtransportes.. Da der aber in
die heutigen Staatsgebiete der Volksrepublik Polen, der Deutschen
Demokratischen Republik, der Bundesrepublik Deutschland, der
Tschechoslowakischen Sozialistischen Republik und eventuell in die
Republik �sterreich gegangen sein konnte, schien diese Version die
Suche nach dem Bernsteinzimmer vor schier unl�sbare Aufgaben zu
stellen. Bevor wir n�her darauf eingehen, wollen wir untersuchen,
welche Voraussetzungen hierzu tats�chlich im fraglichen Zeitraum
bestanden haben.