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Kalibergwerk Wittekind bei Volpriehausen
Heeresmunitionsanstalt...
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Für den Abbau von Kali ist
bereits 1889 am Ostrand von Volpriehausen mit der Errichtung der Schachtanlage
begonnen worden. Ihr Name lautete anfangs "Justus", als 1921 die "Burbach
Kaliwerke AG" den Betrieb übernahm, änderte sich die Bezeichnung in "Wittekind".
Im Jahre 1901 ist der für die Kaliförderung tiefste Ausbau mit 558 m, gemessen
ab Schachtansatzpunkt, erreicht worden. Etwa 1910 begann man knapp 2 km östlich
von "Wittekind" mit den Arbeiten am Schacht "Hildasglück". Hier ging der tiefste
Ausbau 949 m in den Untergrund. Von der 540 m-Sohle der Anlage "Wittekind" aus,
wurde ein Blindschacht abwärts in die Tiefe von 786 m getrieben. Dort konnte
eine unterirdische Verbindung zur 917 m-Sohle von "Hildasglück" entstehen, die
Differenz der H�henangaben ergibt sich daraus, daß der Schachtansatzpunkt von
"Hildasglück" 131 m h�her liegt. So befanden sich die Betriebsteile in
Verbindung, überirdisch ist eine Seilbahn errichtet worden.
Bereits 1936 hat
die Wehrmacht eine Besichtigung der Doppelschachtanlage in Volpriehausen
durchgeführt, sie aber zunächst als ungeeignet eingestuft. Die Burbach Kaliwerke
bot nun ihrerseits dem Staat die Anlage an und wollte damit ihre angespannte
wirtschaftliche Lage verbessern. Schließlich mietete das Militär ab 1. Juli 1937
den Gesamtkomplex an. Im �bertagebereich von "Wittekind" sind ab 1938 diverse
Neu- und Umbauten durchgeführt worden. Für Arbeitskräfte entstand am Nordrand
ein Lager aus vier Massivbaracken und am Westrand ein Lager mit drei
Holzbaracken. Zunächst beschäftigte die Muna hauptsächlich dienstverpflichtete
deutsche Arbeitskräfte, wie in allen vergleichbaren Anlagen sind aber im Laufe
des Krieges vermehrt Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene eingesetzt worden. Auch
mußten untertage jugendliche Insassen des KZ Moringen bei der
Munitionsherstellung arbeiten, 120 kriegsgefangene französische Facharbeiter
sind in einer unterirdischen Waffenwerkstatt tätig gewesen. Für die
Produktion entstand ab 1939 zwischen den beiden Schächten das Fertigungsgebiet
mit zwölf Werksgebäuden. Die Betrieb begann im Frühjahr 1940 mit der Herstellung
von Kartuschen für 7,5 cm-Infantriegranaten. Im Sommer des Jahres 1942 konnte
die Fabrikation in vollem Umfang aufgenommen werden. Zu diesem Zeitpunkt lief
auch im Schacht auf der 540 m-Sohle in drei Muntionsarbeitsräumen die Produktion
von Sprengköpfe für die 7,5 cm-Infantriegranaten an. Die Untertageanlage war
ursprünglich nur für die Lagerung der Munition geplant. Dort wurden über 200
Munitionskammern ins Gestein gesprengt, die kleineren Kammern maßen 10 x 18 m
für 50 Tonnen Munition, die größeren 18 x 22 m für 100 t. Anfangs war die Muna
für eine Lagerkapazität von 13.000 t konzipiert, bis zum Kriegende wurde sie
aber für bis zu 30.000 t ausgebaut. Nachdem 1942 nur einzelne Produktionsteile
in den Schacht verlegten, folgte zwischen November 1943 und März 1944, wegen der
Gefahr von Bombardierungen, der vollständige Umzug der Fertigung in die
Stollen.
Ab 1944 gab es Planungen für die Untertageverlagerung von Betrieben
der Rüstungsindustrie in die Schächte von Volpriehausen. Weitere Einzelheiten
dazu sind mir nicht bekannt. In jedem Fall aber betrieb die Waffenwerkstatt II
aus Hannover in einigen Kammern eine Instandsetzungseinrichtung für
Handfeuerwaffen. Ab März 1944 begann wegen der Gefährdung durch Luftangriffe
die Einlagerung von Kulturgütern in die Schachtanlage. Von der Universität
Göttingen, aus niederrheinischen Archiven und zahlreichen weiteren Museen,
Kirchengemeinden und Privatsammlungen sind verschiedene Güter hauptsächlich auf
der 660 m-Sohle, unterhalb der Munitionsbereiche, oft nur notdürftig verpackt
deponiert worden. Auch hat man hier einige Kisten, unter anderem zwei mit einer
Bernsteinsammlung, vom Paläontologischen Institut der Universität Königsberg
eingelagert. Die Munitionsherstellung hielt bis Frühjahr 1945 an, ab Februar
des Jahren kam jedoch die Fertigung immer wieder ins Stocken, da sich die
Zulieferung von Pulver und Zündern immer öfter verzögerte.
Am
10. April 1945
konnten Truppen der USArmy die Muna kampflos besetzen. Ab 1945: Anfang Juli 1945 übergaben die
Amerikaner die Anlage an die Briten. Mit ihnen trafen auch Angehörige der 76th
Depot Control Company ein, diese hatte ihren Sitz bei der
Muna (Bw)
Hönigsen, sie war für die Überwachung der Bergung von Kulturgütern und
Munition aus Untertageanlagen zuständig. In der Schachtanlage war es in den
Wirren des Kriegsendes zu Plünderungen und Zerstörungen durch Einheimische und
befreite Zwangsarbeiter gekommen. Durch dabei beschädigte Munitions- und
Pulverlager ging eine große Gefährdung für die gesamte Muna aus, es befand sich
am Kriegsende noch eine Menge von ca. 20.000 t Explosivmitteln in den Schächten.
Die Alliierten begannen damit, Munition an die Oberfläche zu transportierten, um
sie im Ertinghäuser Wald zu sprengen. In der Nacht vom 28. zum 29. September kam
es Untertage zur Explosion von großen Munitionsmengen, die Brände und
Folgeexplosionen hielten noch tagelang an. Der Grund für diese Zerstörung ist
bis heute nicht geklärt, ein Verdacht zielt auf plündernde Einheimische und
Fremdarbeiter, ein anderer darauf, daß die Briten die Vernichtung der
Schachtanlagen veranlaßt haben. Im Frühjahr 1946 konnte Schacht "Wittekind"
provisorisch wieder befahrbar gemacht werden. Bei Begehungen der
Munitionsbereiche zeigten diese eine totale Zerstörung. Ende August 1946 haben
sich Freiwillige zusammengefunden, um die eingelagerten Kulturgüter zu bergen.
Bis zum 22. Oktober konnten diverse Gegenstände an die Oberfläche gebracht
werden, dann mußte man die Aktion abbrechen, da durch Grundwasserzuflüsse die
Sohle absoff. 1955 sind Bohrschlämme in die Sch�chte verfüllt worden, heute
stehen alle Schächte unter Wasser, an weitere Bergungen ist nicht mehr zu
denken. Immer wieder kam es zu Spekulationen, daß auch das von der Wehrmacht
beim damaligen Leningrad erbeutete und nach Königsberg gebrachte Bernsteinzimmer
in Volpriehausen eingelagert worden ist. Da die Schächte nicht mehr begehbar
sind, kann keine Klärung herbeigeführt werden. Heute wird das Schachtgelände
"Wittekind" gewerblich genutzt, das Fertigungsgebiet steht leer. Die Baracken
des früheren Arbeitslagers werden zu Wohnzwecken verwendet. Die Schachtöffnungen
von "Wittekind" und "Hildasglück" sind massiv verschlossen worden. Zustand:
Auf dem Gelände des Schachtes
Wittekind sind diverse Bauten aus der Muna-Zeit erhalten geblieben. Auch die
Massivbaracken des Arbeitslagers am Nordrand des Werksgeländes stehen noch.
Innerhalb des Fertigungsgebietes scheinen alle Gebäude noch vorhanden zu sein.
Die Schächte selber sind nicht mehr betretbar. Zugang: Das
Fertigungsgebiet darf nicht betreten werden. Das Gelände von "Wittekind"
ist dagegen, außerhalb von Privatgrundstücken, frei begehbar. Hinweis: In diesem Buch beschäftigt sich ein
Kapitel mit der Muna Volpriehausen: Titel: Rüstungsindustrie in
Südniedersachsen während der NS-Zeit Autoren: Arbeitsgemeinschaft
Südniedersächsischer Heimatfreunde e.V. Verlag: VWM - Verlag Dr. Peter
Wagener ISBN: 3-910085-05-9
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